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Magdalena Augustin: SUBKULTUR BRAUCHT RAUM. Auf der Suche nach langfristigen Lösungsstrategien in Wien

 

Seit Jahren werden räumliche Ressourcen in europäischen Städten immer knapper. Auch Wien ist davon nicht ausgenommen, und mittlerweile ist dies für alle Bewohner_innen der Stadt spürbar. Die Mieten steigen, Flächen werden aufgekauft und bebaut, und jeder Quadratmeter innerhalb der Stadtgrenze ist heiß begehrt. Der urbane Raum ist schlussendlich zur Ware geworden, die Wertsteigerungen ins Unermessliche zulässt und Investor_innen aus aller Welt anlockt.
Diese Entwicklung beeinflusst aber nicht nur die Wohnsituation, sondern auch jene Räume, die wir in unserer Freizeit aufsuchen. Räume, die vielen Menschen zur Vernetzung dienen, egal ob bei Tag oder Nacht. Räume, die eine Stadt braucht, um kulturelle Aktivitäten für alle (!) zu ermöglichen. Die überschaubare Anzahl an subkulturellen Zentren in Wien scheint zu schrumpfen, kaum neue Initiativen können sich langfristig halten, und sogar die „alten Hasen“, wie beispielsweise die Arena oder das WUK, müssen ständig nach Strategien suchen, um ihr Überleben zu sichern.
Außerdem befinden wir uns in einer Zeit der politischen Umbrüche. Rechtskonservative Argumentationen und Praktiken sind mittlerweile in allen Parteien zu finden, und langjährige Regierungskonstellationen scheinen aufzubrechen. Die Kräfteverhältnisse ändern sich, und dementsprechend sollten vor allem fortschrittliche Initiativen darauf vorbereitet sein, dass ihr Bestehen nicht selbstverständlich ist, sondern in naher Zukunft zu einem Teil des Kampfes um kulturelle Hegemonie werden kann. Es ist an der Zeit, subkulturelle Räume zu sichern, aus ihrer prekären Lage zu befreien und als entscheidenden sozialen Faktor zu erkennen, den es zu fördern gilt. Ohne Raum ist kein kulturelles Miteinander möglich, ohne Geld kann Kulturarbeit nicht geleistet werden, und ohne Rechte sind Orte der Sub- und Gegenkultur der politischen Willkür überlassen. Dabei stellt sich am Ende immer dieselbe Frage: Wie können wir unsere Interessen im Kontext des kapitalistischen Immobilienmarktes und inmitten politisch-ideologischer Kämpfe durchsetzen?

Aktuell ist die Lage von vielen Orten der alternativen Kulturproduktion in Wien sehr ähnlich und geprägt von jeweils eigens entwickelten Lösungsstrategien, die mehr oder weniger funktionieren. Am Beginn einer subkulturellen Neusituierung sollten also die Vernetzung, der Zusammenschluss und der Austausch stehen. Vereinzelte Kämpfe sind riskanter, weil leichter zu isolieren, und im Endeffekt kann es schnell passieren, dass Errungenschaften verloren gehen oder Räume vor dem Aus stehen. Viele Erfahrungen wurden bereits gemacht, nun geht es darum, sie zusammenzutragen und einander zu helfen, sich als Partner_innen im selben prekären Boot zu verstehen.

Des Weiteren braucht es ein verstärktes Bewusstsein darüber, wozu es subkulturelle Räume braucht, wie wichtig ihre Arbeit für eine lebendige Stadt ist und welche Lücken durch das meist freiwillige Engagement gefüllt werden, die keine städtische Institution bieten kann. Initiativen wie das Amerlinghaus oder das WUK beherbergen hunderte Gruppen und Organisationen, die ohne diese so nötigen Räume nicht agieren könnten. Tausende Menschen besuchen diese Orte jedes Jahr, sei es, um Konzerte zu sehen, öffentliche Diskussionen zu führen, Kunst zu vermitteln oder einfach, um sich mit Freund_innen zu treffen. Wir werden all jene „Besucher_innen“ brauchen, um zu zeigen, wie unentbehrlich subkulturelle Zentren für Wien sind. Einer internen Vernetzung sollte also der Aufbau einer Basis und breiten Unterstützung folgen, die garantiert, dass Kämpfe um kulturellen Raum nicht abseits der Öffentlichkeit geführt werden.

Neben der Bewusstseinsförderung in Hinblick auf die wichtige Arbeit von subkulturellen Initiativen braucht es auch eine Diskussion über die Rolle von Kunst und Kultur in Österreich ganz allgemein. Ist Kunst nur wert, unterstützt zu werden, wenn sie Massen begeistert? Ist etwa Musik nur dann anerkannt, wenn sie in die Tradition von klassischer Musik passt? Und sind Kulturevents nur dann erwünscht, wenn sie von oben organisiert werden? Es ist längst überfällig, zeitgenössische und experimentelle Kunstrichtungen als wesentlichen Teil der Kulturlandschaft anzuerkennen und zu fördern, denn: Ohne Subkultur keine Hochkultur. Beispielsweise ist in Wien im Bereich der Musikförderung noch viel Platz nach oben, doch es braucht Impulse, um nötige Fördertöpfe zu installieren.

Einer der wichtigsten Faktoren im Kontext alternativer Räume ist Nachhaltigkeit. Viele Gebäude wurden vor Jahrzehnten von Protest- und Jugendbewegungen besetzt und erkämpft. Auch wenn durch so genannte „Prekariatsverträge“ langjährige Duldung und günstige Nutzung möglich geworden sind, sind viele Kulturhäuser auf dieser Basis jederzeit kündbar und keineswegs abgesichert. Gerade dieser Punkt macht die Gefahr deutlich, dass jene Räume schneller verschwinden können als gedacht, sobald sich die politischen Rahmenbedingungen oder die wirtschaftliche Situation in Wien verändern. Hier geht es vor allem darum, rechtliche Maßnahmen einzufordern und Verträge zu formulieren, die langfristige Nutzungen garantieren. Hier sei außerdem erwähnt, dass kulturelle Zentren Anreize für Bewohner_innen des Grätzls schaffen, was dazu führen kann, dass die Mieten in der Gegend steigen. Eine Entwicklung, die wiederum nur Investor_innen nützt – und an deren Ende oft die Verdrängung der lokalen Bevölkerung steht. Die Räume selbst haben von der Wertsteigerung keine Vorteile, im Gegenteil, sie müssen noch härter um ihr Überleben in einer begehrten und teuren Gegend kämpfen.

Neben der Absicherung für die Nutzung von Gebäuden durch Kulturinitiativen braucht es ebenso eine Lösung für die Erhaltung der Bausubstanz. Vor allem denkmalgeschützte Bauten erfordern viel Aufwand und bringen die Betreiber_innen in die Zwickmühle von nötigen Investitionen auf der einen und kaum finanziellen Mitteln auf der anderen Seite. Genauso sind die Arbeitsverhältnisse der Prekarisierung ausgesetzt. Es werden unzählige Überstunden gemacht, Stellen werden abgebaut, Eintritts- und Getränkepreise müssen ständig nach oben getrieben werden, was wiederum die Zugänglichkeit von Kulturprogrammen einschränkt. Ein weiterer von vielen Widersprüchen im Alltag basisorganisierter Kulturprojekte.

Für eine umfassende Verbesserung der Lage von subkulturellen Räumen in Wien braucht es also eine starke Allianz von Akteur_innen, die genau wissen, was sie tun und wie die beschriebenen Ziele zu erreichen sind. Dafür braucht es die Expertise von allen, die in diesem Bereich tätig sind. Hier wird es im ersten Schritt darum gehen, die nötige Zeit und die nötigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um Vernetzung und Organisierung überhaupt erst möglich zu machen. Keine leichte Aufgabe in einem Feld, dass von Ressourcenknappheit an allen Ecken geprägt ist und wo jede Initiative mit ihrer eigenen Baustelle bis über beide Ohren eingedeckt ist. Trotzdem wird es nicht ohne jenen Kraftakt aller betroffenen Räume gemeinsam funktionieren, und es ist höchste Zeit, ihn anzugehen, denn Wiens subkulturelle Szene hat alle Berechtigung aufzubegehren!

 

Mag.a Magdalena Augustin (31) ist seit einigen Jahren mit dem Kollektiv Gassen aus Zucker in der Wiener Veranstaltungsszene aktiv: als DJ, als Partyorganisatorin oder als Mitbegründerin der Kampagne „Kultur for President“. Aktuell forscht sie für ihre Dissertation zum Thema „Orte der alternativen Kulturproduktion im deutschsprachigen Raum“ an der TU Wien.